Fräuleinwunder - Alice Schwarzer lässt grüßen

"Hier und da hat sich in den letzten Jahren mal was ergeben, aber nie auf Dauer. Weil ich es nämlich nicht einsehe, um irgendeinen Mann herumzuscharwenzeln. Ich habe meine eigenen Wohnung, mein eigenes Einkommen, mein eigenes Leben, und das wird sich auch nicht ändern." 

Falsch gedacht, liebe Cosima! Einen Tag nach ihrem 44. Geburtstag landet sie nämlich dank einer missglückten Wahrsagersitzung im Jahr 1954, der Zeit des spießigen Hausfrauen-Daseins, in der die Frauen nur fürs Kinderkriegen und kochen verantwortlich sind. Ohne Mann geht hier gar nichts, eine Frau darf keiner Arbeit nachgehen ohne die Erlaubnis ihres Gatten, darf keine Verträge unterschreiben und alleinstehende Frauen werden gar nicht gern gesehen, egal wo sie auch hingehen. Und ausgerechnet hier landet Cosima, eine gestandene Emanze, die sich von niemandem die Butter vom Brot nehmen lässt? Am liebsten würde sie sofort wieder zurück ins Jahr 2010, doch leider hat die Wahrsagerin den Rückhol-Code verloren. So erlebt Cosima zwangsweise den Alltag einer Frau von 1954 und ist empört darüber, wie die Frauen behandelt werden. Es muss etwas getan werden! Sie nimmt den Kampf auf gegen die Unterdrückung der Frauen; doch werden ihr ihre wachsenden Gefühle für Paul einen Strich durch die Rechnung machen?

--------

Das wird ein Spaß werden, war mein erster Gedanke, als ich mit dem Buch begonnen habe. Ein bisschen locker-leichte Chick-Lit für zwischendurch. Schon bald nach Beginn war ich aber weniger amüsiert als fürchterlich aufgebracht. Normalerweise bin ich keine große Verfechterin der Emanzipation, aber was sich die Frauen in den 50er Jahren alles gefallen lassen mussten, fand ich echt schockierend. Trotz Gleichberechtigungsgesetz werden die Frauen hier wie der letzte Dreck behandelt oder einfach mit "Frauengold" ruhig gestellt, falls sie zu aufmüpfig werden (siehe Werbespot: KLICK).

Klar, vieles in diesem Buch mag übertrieben sein, denn Cosima schlittert wirklich von einer Extremsituation in die nächste und jeder Mann ist hier scheinbar ein Arschloch, entschuldigt die grobe Wortwahl. Erst muss sie miterleben, wie ein Mann seine Frau brutal verprügelt, weil sie mit dem Haushaltsgeld nicht gut gewirtschaftet hat, dann drängt sich ihr eben jener Mann auf, als Cosima gerade nackt unter der Dusche steht, weil sie als Unverheiratete eh ein Flittchen sein muss, und wenig später muss sie einem jungen Mädchen helfen, deren Vater sie aus dem Haus geschmissen hat, weil sie schwanger (und unverheiratet) ist. Und so geht es die ganze Zeit weiter. Kein Wunder, dass Cosima irgendwann der Kragen platzt und sie zu Alice Schwarzers Vorreiterin mutiert.

Abgesehen davon erfährt man leider nicht allzu viel über das Leben in den 50er Jahren, was sicherlich daran liegt, dass das Buch eher für kurzweilige Unterhaltung konzipiert ist. Ein bisschen mehr Tiefgang hätte ich mir trotzdem gewünscht, denn es wurden einige interessante Aspekte angesprochen, aber nur kurz angerissen. Und immer mal wieder wurden plötzlich Szenen eingestreut, die keinen Zusammenhang zur restlichen Handlung hatten, sondern eher so wirkten, als wolle die Autorin noch zusätzlich verdeutlichen "Das hier sind die 50er Jahre", wenn Cosima beispielsweise auf den Schauspieler Hans Albers oder Vera Brühne trifft. Und wo der Klappentext eine Liebesgeschichte andeutet, kann man diese eigentlich in 3 Sätzen zusammenfassen, die Beziehung zu Paul spielt jedenfalls kaum eine Rolle.

Die Charaktere sind, abgesehen von den Männern, allesamt recht liebenswert, auch wenn ich zu niemandem so richtig eine Verbindung aufbauen konnte, da sie wie auch das ganze Buch recht oberflächlich und klischeehaft blieben. Besonders Cosima ging mir am Anfang auf die Nerven, einerseits ist sie sehr stolz auf ihr unabhängiges Leben frei von männlicher Dominanz, andererseits heult sie gleich los, als sie erfährt, dass sie in den Wechseljahren ist und sie nun kein Mann mehr will.

Mein Fazit: "Fräuleinwunder" bietet teilweise erschreckende, aber auch lustige Einblicke in das Leben der Frauen in den 50er Jahren, beispielsweise, wenn sich Frauen Kaffeesatz auf die Beine schmieren und mit einem Stift eine künstliche Strumpfnaht aufmalen, um den Eindruck zu erwecken, dass sie Nylons tragen, wovon mir auch schon meine Oma erzählt hat. Ein komplexes Gesellschaftsbild erhält man nicht, aber hey, das hier ist Chick-Lit und seinen Zweck hat das Buch schon erfüllt: ich habe mich für einige Stunden gut amüsiert.


Fräuleinwunder - Pia Osterwald
Taschenbuch: 240 Seiten
Verlag: rororo (2. Mai 2011)
ISBN-10: 3499255456
Preis: 8,99 Euro


Willis Fazit:




1 Kommentar:

  1. Danke für deine informative Rezension und dass du mich vor einem Fehlkauf bewahrt hast. ;-)

    Liebe Grüße,
    Sabine

    AntwortenLöschen

Für die erforderliche Zuordnung des Kommentars werden personenbezogene Daten von dir gespeichert, nämlich Name, E-Mail und IP-Adresse. Durch das Absenden des Kommentars erklärst du dich hiermit einverstanden.